Die Europäische Aktiengesellschaft (SE)

Veröffentlicht am 15. September 2004 von s.schlawien | Gesellschaftsrecht | 1 Kommentar

Die erste für alle EU-Mitgliedsstaaten einheitliche Gesellschaftsform.

Ab dem 08.10.2004 steht mit der Rechtsform der europäischen Aktiengesellschaft (SE) im Gemeinschaftsgebiet eine neue supranationale Gesellschaftsform zur Verfügung, die in allen EU-Mitgliedsstaaten in Kraft treten wird. Dies wurde durch die EG-Verordnung Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft (SE) möglich gemacht, die nunmehr am 08.10.2004 in Kraft tritt.

Die einzelnen Mitgliedsstaaten waren zur weiteren Ausführung dieser Verordnung aufgefordert, ein nationales Ausführungsgesetz zu erlassen. Die Bundesrepublik Deutschland ist dem durch das Gesetz zur Ausführung der Verordnung Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft – SE-Ausführungsgesetz – SEAG – nachgekommen.

Allgemeines

Die SE ist eine Gesellschaft, deren Kapital in Aktien aufgeteilt ist. Das gezeichnete Kapital muss mindestens € 120.000,00 betragen. Die SE muss ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat haben und zwar in demjenigen, in dem sich die Hauptverwaltung der SE befindet (Art. 4 der VO).

Der Sitz kann gemäß Art. 8 VO in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt werden, was weder zur Auflösung der Gesellschaft noch zur Gründung einer neuen juristischen Person führt.

Die Gesellschaft muss ihrer Firma den Zusatz „SE“ voran- oder nachstellen. Eintragung und Löschung der Gesellschaft erfolgen im Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften (Art. 14 VO).

Die folgenden Ausführungen zur SE nehmen Bezug auf das deutsche Ausführungsgesetz und beziehen sich daher auf eine in Deutschland zu gründende SE. Für die Gründung einer SE in einem anderen Mitgliedsstaat müsste daher das jeweils dort geltende Ausführungsgesetz berücksichtigt werden.

Das deutsche Ausführungsgesetz enthält in Art. 1, der in die §§ 1 – 53 unterteilt ist, ergänzende Regelungen zur EU-Verordnung.

Art. 2 des Ausführungsgesetzes regelt in seinen §§ 1 – 47 die Frage der Mitbestimmung in einer SE.

Mit folgenden Beitrag soll lediglich ein Überblick über diese neue Gesellschaftsform gegeben werden. Diese dürfte nicht nur deswegen interessant sein, weil sie in jedem im Mitgliedsstaat anerkannt ist, sondern auch insbesondere für Unternehmen, die ihr Geschäft mittels verschiedener juristischer Personen in verschiedenen Mitgliedsstaaten betreiben.

I. Gründung einer SE

Für die Gründung einer SE stehen vier verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

1. Die Gründung durch Verschmelzung
2. Die Gründung einer Holding-SE
3. Die Gründung einer Tochter-SE
4. Die Umwandlung in eine SE

Eine gegründete SE kann ihrerseits eine Tochter-SE gründen oder sich mit einem anderen Unternehmen im Wege der Verschmelzung, der Gründung einer Holding- oder Tochtergesellschaft zu einer neuen SE zusammenschließen, gemäß Art. 3 der VO.

1. Die Gründung durch Verschmelzung
Eine SE kann gemäß Art. 2 Abs. II VO durch Verschmelzung gegründet werden. Diese erfolgt gemäß Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 78/855, betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (Verschmelzungsrichtlinie)

– entweder nach dem Verfahren der Verschmelzung durch Aufnahme

oder

– nach dem Verfahren der Verschmelzung durch Gründung einer neuen Gesellschaft.

1.1. Verschmelzung durch Aufnahme

Eine Verschmelzung durch Aufnahme erfolgt dadurch, indem eine oder mehrere Gesellschaften ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf eine andere Gesellschaft übertragen und zwar gegen Gewährung von Aktien der aufnehmenden Gesellschaft an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Die aufnehmende Gesellschaft nimmt bei der Verschmelzung die Form einer SE an.

1.2. Verschmelzung durch Gründung

Die Verschmelzung durch Gründung einer neuen Gesellschaft erfolgt dergestalt, dass mehrere Gesellschaften ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf eine Gesellschaft, die sie gründen, übertragen und zwar gegen Gewährung von Aktien der neuen Gesellschaft an ihre Aktionäre.

2. Die Gründung einer Holding-SE

Eine SE kann gemäß Art. 32 VO durch Gründung entstehen. Die Gründung kann von mindestens zwei Gesellschaften (AG oder GmbH), die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat haben, durchgeführt werden. Die die Gründung betreibenden Gesellschaften bestehen fort, Art. 32 Abs. I 2 mit Art. 2 Abs. II VO.

Die Leitungsorgane der Gesellschaften müssen dazu einen Gründungsplan erstellen, der die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen für die Aktionäre und Arbeitnehmer darstellt. Dieser Gründungsplan ist von unabhängigen Sachverständigen zu prüfen. Die Gesellschafter der die Gründung anstrebenden Gesellschaften müssen innerhalb von drei Monaten mitteilen, ob sie ihre Anteile in die neue SE einbringen wollen. Gesellschaftern, die ihre Anteile nicht einbringen wollen, ist bereits im Gründungsplan ein Barabfindungsangebot zu unterbreiten (§ 9 SEAG).

3. Die Gründung einer Tochter-SE

Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben, können eine Tochter-SE gründen, wobei zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen müssen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat haben, § 35 mit § 2 Abs. III VO.

4. Die Gründung durch Umwandlung

Eine AG, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet und ihren Sitz und ihre Verwaltung in der Gemeinschaft hat, kann in eine SE umgewandelt werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat (Art. 37 mit Art. 2 Abs. II VO).

Die Umwandlung einer AG in eine SE hat weder die Auflösung noch die Gründung einer neuen juristischen Person zur Folge. Der Sitz darf anlässlich der Umwandlung nicht gemäß Art. 8 VO in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt werden, Art. 37 III VO.

Das Leitungsorgan der Gesellschaft hat einen Umwandlungsplan zu erstellen, der wiederum die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Umwandlung erläutert. Die Hauptversammlung hat über die Umwandlung zu beschließen.

II. Innere Ordnung der SE

Die innere Organisationsform kann optional gewählt werden, wobei ein dualistisches System – entsprechend unserem System für die Aktiengesellschaft – und ein monistisches System – entsprechend dem angloamerikanischen Bordsystem zur Verfügung stehen, Art. 38 VO.

Die deutsche AG ist bekannterweise aufgebaut in Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand.

1. Hauptversammlung

Die SE hat stets eine Hauptversammlung, bestehend aus den Gesellschaftern als Aktionären und mit der Wahlmöglichkeit zwischen dem dualistischen oder monistischen Systemen. Organ der SE ist somit, unabhängig von der Wahl der inneren Ordnung, stets die Hauptversammlung, in der die Kapitalgeber der Gesellschaft vertreten sind. Ihr kommt im wesentlichen die Rechten und Pflichten zu, die nach dem deutschen AktR bereits bekannt sind, vgl. Art. 52 VO.

Die Hauptversammlung tritt mindestens zweimal im Jahr zusammen, Art. 54 VO oder kann jederzeit vom Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einberufen werden, Art. 54 VO. Eine Einberufung durch Aktionäre ist ebenfalls möglich, sofern mindestens 5 % des Grundkapitals vorhanden sind, § 50 SEAG. Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses, sofern dieser nicht bereits durch Aufsichts- oder Verwaltungsorgan festgestellt ist, sowie über die Verwendung des Bilanzgewinns, gemäß § 48 SEEG.

Die Hauptversammlung beschließt über Satzungsänderungen mit ¾ Mehrheit, gemäß Art. 59 VO oder, falls die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist, sogar mit einfacher Mehrheit aufgrund des § 51 SEAG.

2. Dualistisches System

Dieses System gleicht dem deutschen AktR. Gemäß Art. 39 VO ist das Leitungsorgan in eigener Verantwortung für das Führen der Geschäfte verantwortlich. Das oder die Mitglieder des Leitungsorgans werden vom Aufsichtsorgan bestellt und abberufen. Man darf nicht zugleich Mitglied beider Organe sein. Ausnahmsweise kann ein Mitglied des Aufsichtsorgans für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr (§ 15 SEAG) die Aufgabe des Leitungsorgans wahrnehmen, falls der betreffende Posten nicht besetzt sein sollte, Art. 39 Nr. 3 VO.

Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als € 3 Mio. muss das Leitungsorgan aus mindestens zwei Personen bestehen, § 16 SEAG, es sei denn, dass die Satzung der Gesellschaft etwas anderes bestimmt.

Das Aufsichtsorgan hat aus drei Mitgliedern zu bestehen, wobei die Satzung eine höhere Anzahl festlegen kann, § 17 SEAG. Wie bei der deutschen AG überwacht das Aufsichtsorgan das Leitungsorgan und ist nicht berechtigt, die Geschäfte der SE selber zu führen, Art. 40 Nr. 1 VO. Die Mitglieder des Aufsichtsorgans werden von der Hauptversammlung, ggf. unter Berücksichtigung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer, bestellt, Art. 40 Nr. 2 VO.

Es besteht eine umfangreiche Informations- und Mitwirkungspflicht zwischen den Organen.

Im übrigen kann bezüglich der Rechte und Pflichten der Organe auf das deutsche AktR verwiesen werden.

3. Monistisches System

Dieses System gleicht dem angloamerikanischen Bordsystem und stellt somit eine Erweiterung in Bezug auf die innere Gestaltung der SE dar.

Es besteht lediglich ein Organ in Form des Verwaltungsorgans, das für die Leitung der Gesellschaft verantwortlich ist und die Grundlinien ihrer Tätigkeit festlegt und überwacht, § 43 mit § 22 SEAG. Das Verwaltungsorgan – im deutschen Ausführungsgesetz mit Verwaltungsrat bezeichnet – bestimmt einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren für die Führung der laufenden Geschäfte, § 43 I mit § 40 Nr. 1, 2 SEAG.

Die Zahl der Mitglieder des Organs beträgt mindestens 3, wobei die Satzung eine abweichende Anzahl festlegen kann.

Ab einem Grundkapital von mehr als € 3 Mio. müssen es jedoch mindestens 3 Mitglieder sein, § 23 Nr. 1 SEAG.

Die Arbeitnehmer sind im Rahmen der Mitbestimmung (siehe unten) zu beteiligen.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden von der Hauptversammlung bestellt und abberufen, Art. 43 Nr. 3 VO mit § 29 SEAG.

Der Verwaltungsrat muss mindestens alle drei Monate zusammentreten, Art. 44 VO. Aus seiner Mitte ist ein Vorsitzender zu wählen, Art. 45 VO mit § 34 SEAG.

Die Bestellung erfolgt für maximal 6 Jahre. Während die VO mit Art. 47 die Möglichkeit eröffnet, dass eine andere juristische Person Mitglied des Organs sein kann, schließt das deutsche Ausführungsgesetz in § 27 Nr. 3 SEAG diese Möglichkeit aus.

Im übrigen bestimmen sich die Rechte und Pflichten bzw. die innere Ordnung dieses Organs nach den bisher bekannten Regelungen und Grundsätzen für die AG, wobei § 34 SEAG Bestimmungen des AktG wiedergibt bzw. auf dieses verweist.

Dies bezieht sich auch auf die Haftung, wobei § 39 und § 40 Nr. 8 SEAG auf die Bestimmungen des § 93 AktG verweisen, wodurch die bisher für die AG geltenden Haftungskriterien und Haftungsmaßstäbe für Vorstände Geltung haben.

III. Mitbestimmung

Die unternehmerische Mitbestimmung war mit das größte Hindernis, dass es für die Schaffung der SE zu überwinden galt. (Die Verhandlungen zum Statut dauerten fast 30 Jahre.) Die Rechte der Arbeitnehmer über die Beteiligung an Unternehmensentscheidungen sollten nicht verloren gehen, falls in einem Mitgliedsstaat diese Rechte bereits bestanden. Aufgrund dessen wurde zur Sicherung dieser Ansprüche die Richtlinie 2001/86 vom 08.10.2001 zur Ergänzung des Status der europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer erlassen.

Das deutsche Ausführungsgesetz widmet sich dieser Materie auch sehr intensiv in Art. 2 SEAG, der sich in § 1 – 44 untergliedert.

Es ist hier nicht beabsichtigt, auf diese deutsche Besonderheit der unternehmerischen Mitbestimmung tiefer einzugehen. Für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der SE wurde folgendes geregelt.

Fand im Falle einer Gründung oder Umwandlung der Gesellschaften in eine SE die Mitbestimmung in einer der Gesellschaften statt, so ist diese auch bei der neuen SE zu berücksichtigen.

Bestand in keiner der beteiligten Gesellschaften vor der Eintragung der SE die Mitbestimmung, so ist die SE nicht verpflichtet, eine Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer einzuführen.

Falls die Mitbestimmung Anwendung findet, ist allerdings eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer, gemäß Art. 4, der Richtlinie 2001/86, Voraussetzung für die Eintragung der SE, gemäß Art. 12 Nr. 2 VO.

Falls keine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer innerhalb der dafür vorgesehenen Zeit von 6 Monaten zustande kommt, so findet eine gesetzliche Auffangregelung, gemäß Art. 7 der VO 2001/86, Anwendung mit der Folge, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer Kraft Gesetzes sichergestellt wird, gemäß Art. 2 mit § 1 Nr. 2 SEAG.

Es wird sich zeigen, welchen Zuspruch diese neue Gesellschaftsform in der nächsten Zeit finden wird. Interessant könnte dies für Unternehmen sein, die diverse Tochtergesellschaften in eine SE einbringen wollen, um auf diese Weise den Verwaltungsaufwand einer jeden Tochter erheblich zu reduzieren und somit Kostenentlastung zu schaffen. Es könnte für einige Unternehmen auch die Sitzverlegung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat interessant werden, wenn dies aufgrund der in dem Ziel-Mitgliedsstaat vorhandenen rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen vorteilhaft für das Unternehmen sein sollte.