Verminderte Leistungsfähigkeit durch Fettleibigkeit – Kündigungsgrund oder rechtswidrige Diskriminierung?

Veröffentlicht am 15. Februar 2016 von Dr. Christian Ostermaier | Arbeitsrecht | 0 Kommentare

Law-BlogKürzlich hatte das ArbG Düsseldorf (Urteil vom 17. Dezember 2015, AZ.: 7 Ca 4616/15) über die Klage eines angestellten Gärtners zu entscheiden. Sein Arbeitgeber war der Ansicht, der Kläger sei aufgrund seiner Fettleibigkeit nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er passe nicht mehr in Gräben und könne wegen Überschreitung der zulässigen Tragkraft keine Leitern benutzen. Nicht einmal passende Schutzkleidung sei in der erforderlichen Konfektionsgröße mehr verfügbar. Der Gärtner – er wog ca. 200 kg bei einer Körpergröße von 1,94 m – sah dies anders und erhob Kündigungsschutzklage. Darüber hinaus verlangte er eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Das ArbG Düsseldorf gab der Kündigungsschutzklage des Gärtners statt. Der Arbeitgeber habe nicht ausreichend zur Leistungsminderung des Klägers vorgetragen. Ob die Adipositas des Klägers Krankheitswert hatte oder nicht, ließ es offen.

Die Klage des Mitarbeiters auf Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund einer Schwerbehinderung wies das Gericht jedoch ab. Schließlich habe der Kläger selbst behauptet, dass er seine Arbeitsleistung trotz seiner Leibesfülle nach wie vor gut erbringen könne. Somit sei er nach eigenem Vortrag nicht behindert im Sinne des AGG.

Zum Verhängnis wurde also beiden Parteien ein ungeschickter Sachvortrag.

Doch das Urteil des ArbG Düsseldorf vermag nicht zu überzeugen: Das Gericht setzte die Begriffe „mangelnde Arbeitsfähigkeit“ und „Behinderung“ zu Unrecht gleich. Arbeitsfähigkeit schließt das Vorliegen einer Behinderung keineswegs aus. Die Sichtweise des ArbG Düsseldorf hätte die absurde Folge, dass behinderte Arbeitnehmer, die ihren Beruf ausüben können, vom Schutzbereich des AGG bzw. der zugrunde liegenden Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2007 ausgeschlossen wären. Hierauf hat auch schon der Generalanwalt Jääskinen in seinem Schlussantrag zur Rechtssache AZ.: C – 354/13 vor dem EuGH hingewiesen. Nach dem EuGH ist eine Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG, die zur Auslegung des AGG heranzuziehen ist, gegeben, wenn eine Einschränkung vorliegt, die unter anderem auf physische, psychische oder geistige Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit anderen Arbeitnehmern, hindern kann.

Nach dieser Definition kann man die morbide Adipositas (Stufe III nach WHO) des Klägers unschwer als Behinderung einstufen: Ungeeignetes Arbeitsmaterial stellt ganz offensichtlich eine Barriere dar, die geeignet ist, den Kläger an einer gleichberechtigten Teilhabe zu hindern.

Fazit: Das ArbG Düsseldorf hat leider zu der eigentlich entscheidenden Frage gar nicht mehr Stellung genommen, welche Vorkehrungen dem Arbeitgeber zuzumuten sind, um einen Ausgleich für die Beeinträchtigung des Klägers durch seine krankhafte Adipositas zu schaffen. In Anbetracht dessen, dass der Anteil der Bevölkerung an übergewichtigen Menschen ständig zunimmt, wäre eine Antwort hierauf höchst interessant gewesen.


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