Wettbewerbsregister für öffentliche Aufträge: Öffentliche Auftraggeber müssen abfragen, Unternehmen dürfen Auskunft verlangen

Veröffentlicht am 14. Juli 2022 von Diana Felsenstein | Vergaberecht | 1 Kommentar

Seit dem 1. Juni müssen öffentliche Auftraggeber das Wettbewerbsregister konsultieren, wenn sie Aufträge ausschreiben. Wann sie Unternehmen, die dort wegen Fehlverhaltens gelistet sind, ausschließen müssen und was die Unternehmen gegen eine Eintragung tun können, zeigen Diana Felsenstein und Dr. Wolfgang Heinze.

Unternehmen, die wegen Wirtschaftsdelikten oder anderer erheblicher Straftaten oder Verfehlungen rechtskräftig verurteilt worden sind, sind nach geltendem Vergaberecht grundsätzlich von öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen (§§ 123, 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB). Ob Bieterunternehmen solche Verfehlungen begangen haben, können öffentliche Auftraggeber seit Dezember 2021 dem sog. Wettbewerbsregister entnehmen.

Seit dem 1. Dezember 2021 müssen alle Strafverfolgungsbehörden sowie zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufene Behörden registerrelevante Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von Unternehmen und ihrem verantwortlichen Personal melden, öffentliche Auftraggeber können das Wettbewerbsregister seitdem einsehen. Nun wird aus dieser Möglichkeit eine Pflicht für die öffentliche Hand.

Seit dem 1. Juni 2022 müssen

  • öffentliche Auftraggeber ab einem Auftragswert von € 30.000,00,
  • Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber ab Erreichen der EU-Schwellenwerte

das Wettbewerbsregister abfragen, bevor sie den Zuschlag in Vergabeverfahren erteilen (§ 6 Abs. 1 Wettbewerbsregistergesetz (WRegG). Für Auftraggeber wie auch für betroffene Unternehmen gilt es nun einiges zu beachten.

Was das Wettbewerbsregister ist

Das Wettbewerbsregister ist eine elektronische Datenbank, die vom Bundeskartellamt bundesweit geführt wird. Dort werden Unternehmen eingetragen, denen Wirtschaftsstraftaten zugerechnet werden können. So soll der faire Wettbewerb im Rahmen von Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge und Konzessionen geschützt werden.

Das Register soll zur Korruptionsprävention und zur Eindämmung von Wirtschaftsstraftaten beitragen. Öffentliche Auftraggeber wie Gemeinden oder Landes- und Bundesbehörden müssen durch Abfrage des Registers Eintragungen bei ihrer Vergabeentscheidung berücksichtigen. So soll vermieden werden, dass Unternehmen, denen Rechtsverstöße zugerechnet werden können, öffentliche Aufträge erhalten.

Wer ins Wettbewerbsregister kommt

In das Wettbewerbsregister werden Unternehmen eingetragen, denen bestimmte Wirtschaftsdelikte zuzurechnen sind, über die eine rechtskräftige Entscheidung deutscher Gerichte oder Behörden ergangen ist. Eingetragen werden also strafgerichtliche Verurteilungen von Personen, die für das Unternehmen handeln, Strafbefehle gegen diese sowie Bußgeldentscheidungen, die gegen das Unternehmen erlassen wurden.

Eingetragen werden gem. § 2 Abs. 1 und 2 WRegG unter anderem:

  • Betrug und Subventionsbetrug nach §§ 263, 264 Strafgesetzbuch (StGB), soweit sich die Straftat gegen öffentliche Haushalte richtete,
  • wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen nach § 298 StGB,
  • außerdem die in § 123 GWB genannten Straftaten, wie z.B. die Bildung terroristischer Vereinigungen, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Bestechlichkeit und Bestechung und Menschenhandel (zwingende Ausschlussgründe), sowie
  • Steuerhinterziehung gem. § 370 Abgabenordnung (AO),
  • Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB sowie
  • sonstige kartellrechtliche Ordnungswidrigkeiten gem. § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB.

Was ins Wettbewerbsregister kommt

Eingetragen werden in das Register werden zum einen Details der Entscheidung, die zur Eintragung führt, u.a. der verwirklichte Straftatbestand, relevante Daten zur Rechtskraft und zu den verhängten Sanktionen. Dort finden sich aber auch personenbezogene Daten der verantwortlichen Person, gegen die sich die Entscheidung richtet, sowie Informationen zur Zurechnung ihrer Tat an das Unternehmen.

Weiter enthält eine Eintragung die Identifizierungsmerkmale des betroffenen Unternehmens, u.a. Anschrift, Handelsregisternummer und Umsatzsteuer-ID.

Wann Unternehmen eine Eintragung verhindern können

Vor der Eintragung in das Wettbewerbsregister informiert die Registerbehörde das betroffene Unternehmen über den Inhalt der geplanten Eintragung. Das Unternehmen kann sich dann binnen zwei Wochen zu der geplanten Eintragung äußern.

Kann das Unternehmen nachweisen, dass die übermittelten Daten fehlerhaft sind oder es sich ein Fehlverhalten von Führungspersonal nicht zurechnen lassen muss, erfolgt entweder keine Eintragung oder bereits vorhandene fehlerhafte Daten werden korrigiert (§ 5 Abs. 1 S. 1, 2 WRegG).

Wer das Register abfragen darf

Da die Daten im Wettbewerbsregister vertraulich sind, dürfen Auskünfte nur gegenüber Bediensteten des öffentlichen Auftraggebers erteilt (§ 6 Abs. 4 WRegG) und nur für die konkrete Vergabeentscheidung verwendet werden. Deshalb müssen öffentliche Auftraggeber sich vorab registrieren. Das Bundeskartellamt als Registerbehörde hat hierfür einen Leitfaden entwickelt, auch das Vorgehen bei der Abfrage des Registers erklärt das Kartellamt in einem weiteren Leitfaden.

Unternehmen haben gem. § 5 Abs. 2 S. 1 WRegG einen Anspruch auf Selbstauskunft, den Antrag können sie schriftlich oder elektronisch stellen. Für die Auskunft wird eine Gebühr von € 20,00 erhoben. Pro Jahr kann jedes Unternehmen einen Antrag stellen (§ 5 Abs. 2 S. 2 WRegG).

Bevollmächtigte Rechtsanwälte der Unternehmen, die in das Wettbewerbsregister eingetragen sind oder von einer geplanten Eintragung betroffen sind, haben wiederum ein Recht auf unbeschränkte Akteneinsicht gem. § 5 Abs. 6 WRegG.

Wann eine Eintragung zum Ausschluss von Vergabeverfahren führt

Erfolgt eine Eintragung im Wettbewerbsregister, können öffentliche Auftraggeber von den Informationen erfahren, die nach §§ 124, 124 GWB zu einem Ausschluss von Vergabeverfahren führen können. Das  führt jedoch nicht automatisch zum Ausschluss des Unternehmens und auch nicht zu einer generellen Vergabesperre für einen bestimmten Zeitraum.

Der öffentliche Auftraggeber entscheidet vielmehr eigenverantwortlich nach eigenem Ermessen darüber, ob er das Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen will (§ 6 Abs. 5 WRegG), trifft also eine Einzelfallentscheidung. Verneint er wegen einer Eintragung die Eignung eines Bieters und schließt diesen deshalb vom Vergabeverfahren aus, kann der Bieter das bei Oberschwellen-Vergaben rügen und einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer stellen.

Ein echtes Entscheidungsermessen hat der Auftraggeber allerdings nur, wenn für das betroffene Unternehmen nur ein fakultativer Ausschlussgrund nach § 124 GWB gegeben ist. Ein fakultativer Ausschlussgrund gem. § 124 Abs. 1 GWB liegt z.B. unter anderem vor,

  • wenn das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat, Nr. 1,
  • das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet worden ist, Nr. 2, oder
  • der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verfälschung des Wettbewerbs bewirken, Nr. 4

Wann Auftraggeber Unternehmen ausschließen müssen

Stellt eine Eintragung hingegen einen zwingenden Ausschlussgrund i.S.d. § 123 GWB dar, muss der Auftraggeber das Unternehmen in der Regel von dem Vergabeverfahren ausschließen.

Ein zwingender Ausschlussgrund in diesem Sinne liegt bei rechtskräftigen Verurteilungen des Führungspersonals eines Unternehmens vor oder wenn gegen das Unternehmen rechtskräftig eine Geldbuße gem. § 30 OWiG festgesetzt worden ist. Als Straftatbestände, aus denen ein solcher Ausschlussgrund folgt, nennt § 123 Abs. 1 GWB unter anderem die Bildung krimineller Vereinigungen, § 129 StGB, Geldwäsche, § 261 StGB, Betrug, § 263 StGB und diverse Bestechungsdelikte, §§ 299 ff. StGB.

Trotzdem vom Ausschluss absehen könnten Auftraggeber nur in den Ausnahmefällen des § 123 Abs. 5 GWB, wenn eine Beteiligung des Unternehmens also trotz dessen Fehlverhaltens aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist.

Diese Ausnahmevorschrift ist eng auszulegen. Dafür reicht es nicht aus, dass die Teilnahme des Unternehmens sinnvoll erscheint, dieses den günstigsten Preis angeboten hat oder überhaupt der einzige Bieter in einem Vergabeverfahren ist. Die Gesetzesbegründung nennt als mögliche Ausnahme, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnte, ein zwingend auszuschließendes Unternehmen weiterhin als Bieter zuzulassen, dass nur dieses Unternehmen dringend benötigte Impfstoffe beschaffen könnte.  Das Beispiel zeigt, dass diese Ausnahmen in aller Regel nicht greifen werden.

Wie Unternehmen aus dem Wettbewerbsregister rauskommen

Die Eintragungen bleiben nicht auf ewig im Wettbewerbsregister. Sie müssen bei zwingenden Ausschlussgründen fünf Jahre nach der rechtskräftigen Verurteilung, bei fakultativen Gründen drei Jahre nach dem vorwerfbaren Ereignis gelöscht werden. Für betroffene Unternehmen empfiehlt es sich, die Fristen zu kontrollieren und nach Fristablauf die Löschung zu beantragen.

Vor Ablauf dieser Fristen können Unternehmen die Berichtigung oder Löschung im Register anregen, wenn die Eintragung offensichtlich fehlerhaft ist (§ 4 Abs. 2 S. 2 WRegG).

Auch wenn Unternehmen eine Selbstreinigung nachweisen können, die den vergaberechtlichen Anforderungen genügt (§ 123 Abs. 2 S. 2, § 125 GWB), können sie die vorzeitige Löschung der Eintragung beantragen (§§ 8, 10 WRegG) und ggf. gerichtlich durchsetzen, falls sie abgelehnt wird. Mit Blick auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung eines Ausschlusses von der Teilnahme an Vergabeverfahren ist eine Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf möglich.

  • Tipp: Das Vorgehen gegen eine unrichtige Eintragung hat mit der Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers in einem laufenden Vergabeverfahren nichts zu tun. Unternehmen müssen deshalb zur Absicherung ihrer Rechtsposition eventuell parallel zwei Rechtsbehelfe einlegen: die Beschwerde gegen die unterlassene Löschung und einen Nachprüfungsantrag gegen die negative Entscheidung des Auftraggebers. Beide sind nur binnen enger, nicht verlängerbarer Fristen möglich, so dass Unternehmen das Wettbewerbsregister und ihre Eintragung dort aktiv begleiten sollten.

Diana Felsenstein berät sowohl Unternehmen als auch Kommunen und Privatpersonen im Öffentlichen Recht. Sie vertritt ihre Mandanten außergerichtlich sowie vor Gericht. Zu ihren Schwerpunkten gehört u.a. die Beratung und Vertretung von öffentlichen Auftraggebern oder Auftragnehmern bei der Gestaltung/Durchführung von bzw. der Teilnahme an Vergabeverfahren.

Dr. Wolfgang Heinze ist Partner bei SNP Schlawien Rechtsanwälte. Der Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Vergaberecht berät schwerpunktmäßig mittelständische Unternehmen sowie Tochtergesellschaften und Niederlassungen deutscher und ausländischer Konzerne in allen Fragen des Handels- und Gesellschaftsrechtshttps://de.linkedin.com/in/wolfgang-heinze-a935a324


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