Purpose Economy auch für Startups: So setzen kleine Unternehmen ihre Wertorientierung rechtssicher um

Veröffentlicht am 12. Mai 2022 von Andreas Lieb | Gesellschaftsrecht | 0 Kommentare

Vielen Startup-Gründern geht es nicht nur um den maximalen Profit. Doch sie scheuen den Aufwand, ihre Werte nachhaltig in der Unternehmensführung zu verankern. Dabei gibt es längst praktikable Wege, auch kleine Unternehmen verantwortungsvoll und wertorientiert aufzustellen, zeigen Andreas Lieb und Richard Rummel.

Beruf „Seriengründer“ oder „Serial Entrepreneur“: Eine Idee umsetzen, das Geschäftsmodell skalieren, hohe Bewertung, Exit, Repeat. Für viele Gründerinnen und Gründer ist das die Idealvorstellung. In Teilen der Szene findet jedoch ein Umdenken statt: Profitmaximierung als Selbstzweck wird zunehmend mit Skepsis betrachtet.

Unter den Schlagwörtern “Purpose Economy” und “Corporate Social Responsibility” wird vermehrt eine verantwortungsvolle Unternehmensführung – auch über mehrere Generationen hinweg – gefordert. „Purpose“ (engl. Bestimmung, Ziel, Zweck) steht dafür, Unternehmen zu ermöglichen, dauerhaft unabhängig und sinnorientiert zu bleiben. Im Gegensatz zu herkömmlichen Eigentümerstrukturen verankert das sog. Verantwortungseigentum die Wertorientierung rechtlich bindend in der Satzung. Die Unternehmen verpflichten sich zur Selbstbestimmung und zur Vermögensbindung. Das heißt Stimmrechte verbleiben bei den aktiven Unternehmern und Gewinne sind Mittel zum Zweck statt Selbstzweck.

Traditionsreiche Familienunternehmen machen es vor. Etwa 200 Familienunternehmen in Deutschland haben ihre Gesellschaftsstrukturen auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung ausgerichtet, darunter Wirtschaftsgrößen wie Bosch und Zeiss. So ist die Carl-Zeiss-Stiftung alleinige Aktionärin der Carl Zeiss AG. Sie darf die Aktien nicht veräußern und mit den Dividenden der Aktiengesellschaft fördert die Stiftung Forschung und Lehre in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Auch anderen Ländern und Rechtsordnungen ist das Verantwortungseigentum nicht fremd. In Dänemark gibt es sog. Industrial Foundations: Stiftungen, die die Mehrheit der Stimmrechte an einem oder mehreren Unternehmen halten und keinen weiteren Zweck verfolgen als die Wertorientierung zu sichern. Zu dänischen Unternehmen in Verantwortungseigentum zählen unter anderem Carlsberg, Novo Nordisk und Lundbeck.

Kommt eine neue Rechtsform?

In Deutschland wurde die Thematik in den vergangenen Jahren vermehrt medienwirksam diskutiert. Eine neue Rechtsform wurde vorgeschlagen, da die bestehenden Stiftungslösungen rechtlich etwas umständlich wirken und teilweise mit hohen Kosten sowie Verwaltungsaufwand verbunden sind. Vor allem kleine Unternehmen und Start-ups nutzten sie bislang bislang eher selten.

Anfang 2021 legte ein Team aus fünf Professorinnen und Professoren und einem Rechtsanwalt mit Unterstützung der Stiftung Verantwortungseigentum einen ausformulierten Vorschlag für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) vor.  Auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung findet sich die Formulierung: „Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen, oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. Wir erarbeiten eine nationale Strategie für Sozialunternehmen, um gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen stärker zu unterstützen.“

Doch seitdem ist es still geworden um die neue Rechtsform. Die Legislaturperiode hat gerade erst begonnen und die durchaus nicht unumstrittene Reform steht aktuell wohl auch nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste der Bundesregierung.

Schon heute nachhaltig für morgen aufstellen

Unternehmen, die sich verantwortungsvoll aufstellen möchten, müssen darauf aber nicht warten. Abseits der Stiftungsmodelle gibt es schon jetzt gangbare Alternativen auch für kleine Unternehmen und Start-ups, die ihre Vorstellungen von einer nachhaltigeren Unternehmensführung verwirklichen wollen.

Möchte man lediglich das Gewinnstreben von Gesellschaftern reduzieren und etwas Gutes bewirken, kann man eine gemeinnützige GmbH gründen.  Eine gGmbH verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung und genießt dadurch Steuerprivilegien. Es handelt sich aber nicht um eine eigenständige Rechtsform, sondern um eine reguläre GmbH mit einigen Besonderheiten in der Satzung. Sie eignet sich für karitative Unternehmen, deren Gesellschafter aus der Unternehmung keinen Profit generieren wollen.

„Purpose“-Unternehmen können gemeinwohlorientiert sein, müssen es aber nicht. Der Fokus liegt nicht auf einem karitativen Zweck, sondern auf der nachhaltigen Unternehmensführung an sich. Jeder Gesellschaftszweck ist möglich.

Die Trennung von Stimmrecht und Gewinn

Die angedachte GmbH-gebV zeichnet sich durch ihre Selbstbestimmung, eine Beschränkung des Gesellschafterkreises (Shareholder Lock) und Vermögensbindung (Asset Lock) aus. Diese Charakteristika kann man durch geschickte rechtliche Gestaltung aber auch nach geltendem Recht praktikabel umsetzen.

Das GmbH-Gesetz kennt lediglich „Geschäftsanteile“ (§ 5 Abs. 2 GmbHG) mit gleichen Rechten und Pflichten. In der GmbH-Satzung können jedoch verschiedene Anteilskategorien definiert und geschaffen werden. Für die Umsetzung des Verantwortungseigentums kann man Geschäftsanteile der Kategorie A und B schaffen. A-Geschäftsanteile haben zwar Stimmrechte, jedoch haben die Gesellschafter, welche diese halten, kein Gewinnbezugsrecht. Für B-Anteile gilt der umgekehrte Fall: Diese haben Gewinnrechte ohne korrespondierende Stimmrechte. Auch kann der Verbleib von Gewinnen im Unternehmen vorgeschrieben und die Veräußerung der Anteile beschränkt werden.

Diese Trennung von Stimmrecht und Gewinnbezugsrecht soll einen Interessenkonflikt vermeiden: Gesellschafter mit Gewinnbezugsrechten haben keinen Einfluss mehr auf die Geschicke des Unternehmens. Diese werden bestimmt von Gesellschaftern, die – frei von monetären Hintergedanken – ihre Entscheidungen am Wohl des Unternehmens und nicht an den eigenen Interessen ausrichten.

Auch für Startups gut machbar: Anteile an die Purpose Stiftung gGmbH

Diese Trennung soll bestenfalls dauerhaft und über mehrere Generationen hinweg erhalten bleiben. Aus diesem Grund gründen große Unternehmen wie Zeiss Stiftungen, die einen Teil der Anteile halten. Für kleinere Unternehmen ohne eigene Stiftung besteht die Möglichkeit, der Purpose Stiftung gGmbH Anteile zu übertragen. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Stiftung im Rechtssinne, doch diese gemeinnützige GmbH erfüllt die gleiche Funktion wie die Stiftungen der großen Familienunternehmen. Gestaltet man die Satzung entsprechend, kann bereits ein Anteil (Veto Share) am Unternehmen ausreichen, um Satzungsänderungen zu verhindern und so die Wertorientierung auch für die Zukunft dauerhaft zu zementieren.

Im Gesamtpaket kommt man so mit verhältnismäßig geringem Aufwand an die Konstruktion der angedachten GmbH-gebV schon recht nah heran. Die Umsetzung ist auch für Start-ups ein gut gangbarer Weg, um Wertorientierung und Nachhaltigkeit auch für morgen schon heute im Unternehmen zu verankern.

Andreas Lieb berät mittelständische Unternehmen und Start-ups im Handels- und Gesellschaftsrecht. Dabei unterstützt er bei der Gründung von Gesellschaften, Kapitalmaßnahmen, Strukturierungen, Finanzierungen und Erstellung von Beteiligungsverträgen sowie bei Unternehmenskäufen. https://de.linkedin.com/in/andreaslieb 

Richard Rummel berät und vertritt mittelständische Unternehmen – vom Einzelkaufmann bis zur Aktiengesellschaft – im Gesellschaftsrecht, insbesondere bei Unternehmenskäufen und Umstrukturierungen. Er berät bei der Gründung von allen Arten von (Tochter-)Gesellschaften und der Schaffung von Gesellschaftsstrukturen bis hin zur Umsetzung von Unternehmensstrategien.


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