Tracking, Retargeting und die DSGVO – Ende des Online-Marketing?
Macht die DSGVO und ihr Einwilligungserfordernis zu Cookies und anderen Analysetechniken das Online-Marketing, wie wir es bisher kennen, zunichte?
Die meisten Internetnutzer (vielleicht auch Sie!) lehnen die Aufzeichnung ihres Surfverhaltens jedenfalls ab. Dies fand das Social-Marketing-Unternehmen Communispace in einer Umfrage bereits 2014 heraus. Heute sind die Menschen noch viel sensibler, wenn es um ihre Daten geht.
Der EuGH hat im Herbst 2019 die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Analyse des Nutzerverhaltens ohne vorherige Einwilligung als Verstoß gegen geltende Datenschutzbestimmungen erachtet.
Haben damit das Tracking und Targeting oder gar generell das Online-Marketing bald ein Ende? Diese Fragen möchte ich in diesem – etwas ausführlicheren – Post beantworten. Nehmen Sie sich die Zeit!
Was ist passiert?
Sie haben vermutlich schon längst mitbekommen, dass der EuGH vor noch nicht allzu langer Zeit einen „Vernichtungsschlag“ gegen alle Online-Marketer getätigt hat.
- Die Kurzversion: Der EuGH hat am 1. Oktober 2019 entschieden (C-673/17), dass Cookies und vergleichbare Methoden, um das Verhalten von Menschen nachzuvollziehen, gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen.
- Die Langversion: Lesen Sie bitte in meinem Beitrag vom 9. Oktober 2019, der sich mit dem EuGH-Urteil befasst.
Unzulässig sind also sämtliche Technologien zur Erforschung des Nutzerverhaltens (also insbesondere Cookies), die nicht zwingend erforderlich für den Aufbau der Website sind. Gleiches gilt natürlich für Apps und andere Dienste.
Tracking nur mit Einwilligung
Das Tracken von Nutzern und deren Verhalten ist folglich nur noch mit einer Einwilligung vor der Datenverarbeitung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO) zulässig. Bevor also ein Tracking-Cookie abgelegt wird, muss der Nutzer seine Einwilligung aktiv erteilen. Diese Einwilligung kann der Nutzer per „Opt-in“ z. B. in einem sog. „Cookie-Banner“ oder „Cookie-Popup“ erklären. Dazu klickt der Nutzer auf einen Button („Akzeptieren“). Denkbar sind auch Checkboxen, mit der der Nutzer seine individuellen Einstellungen speichern kann.
Wie lief Tracking bzw. Retargeting früher ab?
Noch vor einigen Jahren hatten die Online-Marketer richtig Spaß. Sie konnten Nutzer und deren Verhalten (Kauf- oder Klickgewohnheiten) über unzählige verschiedene Websites hinweg verfolgen. Nutzern wurde – mithilfe der Cookies – auf den verschiedensten Websites immer wieder zielgerichtet Werbung eingeblendet („Retargeting„).
Das Motto: Je öfter der Lead (also der potentielle Käufer) Werbung für ein bestimmtes Produkt angezeigt bekommt, desto höher die Kaufwahrscheinlichkeit. Das Prinzip dahinter: Mit steigender Zahl der Werbeeinblendungen steigt das Vertrauen und das Bewusstsein für das Produkt. Es kursiert hierfür u. a. der Begriff „7-Kontakte-Regel“. Mindestens sieben Mal muss ein Lead mit einem Produkt in Berührung kommen, ehe er reif für einen Kauf (close) ist.
Damit konnte man vor allem solche Leads „einfangen“, die zumindest schon mal in einem Shop auf ein Produkt geklickt hatten. Das generelle Interesse war also da. Nun wurde nach allen (psychologischen) Regeln der Kunst dafür gesorgt, dass das Vertrauen des Leads in das Produkt mit steigender Zahl der Berührungspunkte steigt. Ein derart „heißer“ Lead wird dann irgendwann mit guter Wahrscheinlichkeit das Produkt kaufen.
Sie haben es bestimmt schon selbst erlebt: Sie haben ein paar Schuhe in einem Shop angesehen und bekommen dann wochenlang die gleichen Schuhe immer wieder auf Websites angezeigt, die Werbepartner von Google oder Facebook Ads sind.
Diese Art der Werbung ist natürlich äußerst bequem und berechenbar. Man benötigt nicht Kaltakquise-Heerscharen, sondern einfach eine ausgeklügelte Online-Marketing-Strategie und gute Programmierer.
Macht Tracking derzeit für die Werbebranche noch Sinn?
Jein. Nach wie vor wird auf zahlreichen Websites getrackt (und Retargeting betrieben) – egal, ob der Seitenbesucher seine Einwilligung gegeben hat oder nicht. Dass das nach den DSGVO-Maßstäben unzulässig ist, sollte nicht in Frage stehen. Das Urteil des EuGH ist sehr eindeutig.
Klar ist auch, dass Werbetreibende mit legalem Tracking oder Retargeting nur einen kleinen Kreis der Seitenbesucher erreichen. Denn die meisten Nutzer verweigern erfahrungsgemäß die Einwilligung.
Das Ende des Tracking und Retargeting?
Die geltende Rechtslage steht dem Tracking bzw. Retargeting in Zukunft klar im Weg. Nur ein geringer Teil der Nutzer willigt in diese Art der Datenverarbeitung aktiv ein.
Zwar gibt es nach wie vor viele, die bewusst gegen die DSGVO verstoßen. Die Bloggerin Mira Rodrigues (miralytics.io) nennt es in ihrem Beitrag treffend eine „gut genutzte Grauzone“. Doch je schlagkräftiger und technikvertrauter die Datenschutzbehörden werden, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, sich dafür ein saftiges Bußgeld einzuhandeln.
Auch der BGH hat sich diesen Fragen bereits angenommen (BGH Urteil vom 28.05.2020, Az. I ZR 7/16 – Cookie-Einwilligung II, auch als „Planet49-Urteil“ bekannt). Der Senat erachtet Cookies ohne aktive Einwilligung als unzulässig. Ungenügend ist insbesondere eine voreingestellte Zustimmung („Opt-out“-Lösung). Nötig ist stattdessen das „Opt-In“ des Nutzers.

Wo liegt die Zukunft des Online-Marketing?
Wo Technologien auf ihr Ende zusteuern, entstehen neue Chancen und Tendenzen.
Essentiell wird in Zukunft die Thematik „Content Marketing“ werden. Das ist Marketing, das nicht primär über zielgerichtete Werbeanzeigen, sondern über wertvollen Content funktioniert. Hauptformen:
- eigener Blog
- E-Mail-Newsletter-Listen
- Social Media
Sie können es also z. B. ein wenig machen, wie ich es mit diesem Blog mache (auch, wenn ich mich – noch – nicht als Marketing-Könner bezeichnen würde). Ihre Audience finden Sie in den einschlägigen Suchmaschinen, wenn Ihr Content gut und suchmaschinenoptimiert ist. Oder – besser – er besucht Ihren Blog regelmäßig.
Auch der Aufbau E-Mail-Newsletter-Liste ist eine tolle Art des Marketing. Werbeeinwilligungen für Newsletter erhält man übrigens – DSGVO-konform – durch ein „Tauschgeschäft“ (Daten gegen kostenloses Whitepaper).

Sie sehen: Es wird immer Möglichkeiten geben, Ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Aber die Möglichkeiten, mit hohen Werbebudgets sehr effizient Anzeigen zu schalten, werden sich in Zukunft verringern. Denn nur ein geringer Anteil der Menschen wird in die Analyse seines Verhaltens einwilligen.
Hingegen werden Unternehmen mehr und mehr gefragt sein, Mehrwert für ihre Zielgruppe zu schaffen, um diese auf sich aufmerksam zu machen. Es wird sich dort jemand ernsthaft Gedanken machen müssen, welche Informationen die Zielgruppe interessiert. Diesen Content zu kreieren – darum wird es in Zukunft gehen.
(Beitragsbild: muneebfarman / Pixabay)
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