Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Emails – Teil 1

Veröffentlicht am 13. Februar 2007 von Sanjay Bakshi | Arbeitsrecht | 24 Kommentare

Law-BlogIm Zusammenhang mit dem Thema der Pflichtangaben in geschäftlichen Emails wurde nach Aufbewahrungsfristen für solche Emails gefragt.

Das Thema der Aufbewahrungsfristen ist insgesamt sehr umfangreich. Dies wird deutlich, wenn ich zunächst darauf hinweise, mit welchen Vorschriften diese kurze Stellungnahme sich nicht befasst. Es sind dies arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte, das Umsatzsteuer- und Lohnsteuerrecht sowie sonst im Bereich des Steuerrechts die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU). Man sieht, hierzu kann noch einiges berichtet werden.

Die Archivierung von Daten ist in allgemein-zivilrechtlicher Hinsicht schon im Zusammenhang mit der Dokumentation von Rechtsgeschäften von erheblicher Bedeutung und dies gilt nicht etwa nur für den Bereich des Fernabsatzes. Auch allein innerhalb eines Unternehmens ausgetauschten Email-Nachrichten kann erhebliche rechtliche Bedeutung zukommen, etwa im Rahmen der Berichtskette zur Geschäftsleitung, von dort absteigenden Anweisungen und Kontrollmaßnahmen oder der Kommunikation mit dem Betriebsrat.

Zivilprozessual ist die Datenarchivierung vor allem von beweisrechtlicher Bedeutung. Die anderen Rechtsgebieten entstammenden gesetzlichen Aufbewahrungsfristen können vor Gericht von Einfluss auf Aspekte der Darlegungs- und Beweislastverteilung sein. Vermag auf Daten vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht mehr zugegriffen zu werden, besteht das Risiko von Rechtsnachteilen im Prozess.

Die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten gelten nur für Kaufleute, also (Handels-)
Gewerbetreibende, deren Geschäftsbetrieb eine kaufmännische Einrichtung erfordert, ungeachtet dieses Erfordernisses im Handelsregister eingetragen ist oder in der Form einer Handelsgesellschaft organisiert ist (Ausnahme von all dem: land- und forstwirtschaftliche Betriebe). Sie dienen vor allem der Gewährleistung von Aufklärungs- und Beweismöglichkeiten im Zivilprozess (§§ 258 – 260 HGB).

Geordnet aufzubewahren sind Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Lageberichte (ggf. auch Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte) sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, die empfangenen Handelsbriefe, Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe und die Belege für Buchungen in den Handelsbüchern, § 257 Abs. 1 HGB.

Dabei gelten als Handelsbriefe nur diejenigen Schriftstücke, welche ein Handelsgeschäft betreffen (nach § 343 Abs. 1 HGB [Rechts-]Geschäfte des Kaufmanns, die zu dem Betrieb seines Handelsgewerbes gehören), § 257 Abs. 2 HGB. Auch Email-Nachrichten können Handelsbriefe in diesem Sinne sein.

Unter den Voraussetzungen des § 257 Abs. 3 HGB können die genannten Unterlagen mit Ausnahme der Eröffnungsbilanzen und Abschlüsse auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden. Möglich ist es ferner, die zulässig auf Datenträger geführten Aufzeichnungen in ausgedruckter Form aufzubewahren. Handelsrechtlich ist die Aufbewahrung des Datenträgers dann nicht erforderlich und selbst die ausgedruckten Aufzeichnungen könnten wieder in ein Datenformat umgewandelt und in entsprechender Form gespeichert werden, §§ 257 Abs. 3 S. 2, 239 Abs. 4 S. 1 HGB.

Die handelsrechtlichen Bestimmungen sind also nicht sehr restriktiv, was die Aufbewahrung in körperlicher oder elektronischer Form angeht. Mit Ausnahme von Eröffnungsbilanzen und Abschlüssen (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, § 242 III HGB; bei Kapitalgesellschaften mit Anhang, §§ 264, 284 HGB) ist der Kaufmann in der Form der Archivierung frei und kann diese auch wechseln.

Die Unterlagen sind nach § 257 Abs. 4 HGB zehn Jahre, die Handelsbriefe sechs Jahre aufzubewahren. Sechs Jahre beträgt hiernach auch die handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht für Email-Nachrichten, die Handelsbriefe sind. Meines Erachtens ist es schon aus organisatorischen Gründen nicht zu empfehlen, den Versuch der Unterscheidung zu unternehmen: Email-Nachrichten sollten mit Ausnahme rein privater Nachrichten sämtlich mindestens sechs Jahre aufbewahrt werden.

Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Handelsbuch gemacht, das Inventar aufgestellt, die Eröffnungsbilanz oder der Jahresabschluss festgestellt wurde (ggf. der Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB oder der Konzernabschluss aufgestellt wurde), der Handelsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist.

Wie immer hilft dies alles nur so weit, wie es auch den steuerrechtlichen Bestimmungen entspricht. Doch dieser Beitrag ist mit Handelsrecht überschrieben und dabei muss es, auch des Umfangs wegen, erst einmal bleiben.

Fortsetzung folgt.


24 Gedanken zu "Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Emails – Teil 1"

Muessen E-Mails ausgedruckt werden oder genuegt dieses in elektronischer Form?

Handelsrechtlich ist beides und auch der Wechsel zwischen den beiden Formen möglich. Zivilrechtlich / zivilprozessual dürfte keiner der beiden Fassungen ein höherer Beweiswert zukommen.

Ich habe im Verlauf meiner Selbstständigkeit von Eudora-Mail zu Thunderbird gewechselt. Bei der Konvertierung sind einige Mails bereits verloren gegangen. Mein geschäftliches Thunderbird-Mailverzeichnis ist bereits nach rund vier Jahren Selbstständigkeit auf über 1GB angewachsen. In zwei weiteren Jahren bei steigendem Kundenaufkommen und vermehrter Korrespondenz auf diesem Weg plus dem unbekümmertem Zusenden „dicker“ Attachments wird es sich im Verlauf der kommenden zwei Jahre eher noch verdoppeln.

Hierzu würde mich interessieren – wie stellt der Gesetzgeber sich vor, soll das technisch sauber funktionieren?

[…] uns Sanjay Bakshi auf Law-Blog Trackback-URL Gelesen: 1 heute:1 […]

Da man sowieso regelmäßig backups von seinem Computer machen sollte, empfehle ich die E-Mails auch z.B. auf CD zu brennen.

[…] Einen aus meiner Sicht total interessanten Artikel im Law-Blog zur Frage von Aufbewahrungsfristen für E-Mails im geschäftlichen Verkehr habe ich durch einen Verweis bei Robert gefunden. […]

[…] Unter diesem Motto ist auch der sehr interessante Beitrag auf dem Law-Blog zu sehen, der über Aufbewahrungsfristen für geschäftliche E-Mails informiert. Auch schön, das man mal bestätigt wird, wenn man grundsätzlich ALLE geschäftlichen Mails archiviert […]

[…] Im Law-Blog schreibt Sanya Bakshi ausführlich über die Pflichten zur Aufbewahrung von Geschäftsbriefen – zu den auch E-Mails gehören – unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten. […]

[…]  Keine Kommentare – jetzt Kommentar schreiben » Noch keine Kommentare. RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag. Einen Kommentarhinterlassen […]

Wird zwischen Handels- und Geschäftsbriefen unterschieden?

Und diesen Abschnitt betreffend:
…Meines Erachtens ist es schon aus organisatorischen Gründen nicht zu empfehlen, den Versuch der Unterscheidung zu unternehmen: …….

Was ist mit der Korrespondenz der Sachbearbeiter über Liefertermine, Verfügbarkeit, Abholbenachrichtigungen?

Gerade bei der heutigen ’schnellen‘ Möglichkeit E-Mail’s zu versenden (wo früher ein Telefonat geführt wurde) entstehen sehr viele ‚Geschäftsbriefe‘ die vermutlich nicht archiviert werden müssen.

Gibt es hier eventuel doch Entscheidungshilfen, um die tägliche E-Mail Korrespondenz korrekt abzulegen oder gleich zu löschen?

Geschäftsbriefe (vgl. § 37a HGB) sind alle Mitteilungen des Kaufmanns über geschäftliche Angelegenheiten nach außen. Handelsbriefe sind nur die Schriftstücke, die ein Handelsgeschäft i.S.d. §§ 343, 344 HGB betreffen. Der Begriff des Handelsbriefes ist also enger. § 257 HGB gilt für Handelsbriefe, nicht für alle Geschäftsbriefe. Die interne Korrespondenz wird regelmäßig weder unter die eine noch die andere Kategorie fallen. Dennoch und insbesondere wegen der weiteren in meinem Artikel genannten Aspekte – aber auch wegen darüber hinaus gehender, hier noch nicht genannter Bestimmungen zur Aufbewahrung – sollte diese Korrespondenz nicht einfach gelöscht werden.

Muss man Spam-Mails eigentlich auch archivieren oder ist das etwa egal?
Das macht ja gut 90% der einkommenden E-Mails aus.

[…] Ich hatte mich hier mit den zivil- und handelsrechtlichen Vorgaben für die Aufbewahrung von geschäftlichen Emails befasst und eine Fortsetzung angekündigt. Nun denn: […]

Na das wir mir ja total neu, dass jetzt auch EMails aufbewahrt werden müssen. Gilt das denn nun auch über 10 Jahre hinweg, genauso wie die Steuerunterlagen? Das wird ja immer schlimmer. Vielen Dank für diesen Hinweis. Ich muss gleich mal schauen, wie ich das machen werde.

[…] Sehr interessanter Artikel im Law-Blog zum Thema “Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Emails“-Teil 1. Gerade für Firmen sehr informativ. Bei den meisten Firmen werden diese Fristen nicht beachtet und es gibt immer noch einige, die Datensicherungen nicht für sinnvoll erachten. Ich empfehle allen regelmäßige Backups von den wichtigsten Daten zu machen inkl. E-Mails! […]

[…] Gerade im Law-Blog den 2.Teil zum Thema “Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Emails” gesehen und gelesen. Über Teil 1 hatte ich auch schon geschrieben. Der Artikel ist mehr als informativ. Teil 1 befasste sich mit den zivil- und handelsrechtlichen Vorgaben für die Aufbewahrung von geschäftlichen Emails und Teil 2 mit den steuerrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften. Gerade für Firmen sehr informativ. […]

Meiner Meinung nach sollte die Archivierung direkt vom Staat vollzogen werden. Eine Blindkopie jeder Email sollte automatisch bei den entsprechenden Stellen abgelegt werden. So können sowohl Staat als auch Unternehmer sehr viel Zeit und Arbeit sparen!

[…] Ich hatte mich hier mit den zivil- und handelsrechtlichen Vorgaben für die Aufbewahrung von geschäftlichen Emails befasst und eine Fortsetzung angekündigt. Nun denn: […]

Wie sieht es eigentlich abgesehen von den Strafrechtlichen Folgen nach §§ 283 StGB mit Sanktionen bei Pflichverletzungen aus?

[…] Sehr interessanter Artikel im Law-Blog zum Thema “Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Emails“-Teil 1. Gerade für Firmen sehr informativ. Bei den meisten Firmen werden diese Fristen nicht beachtet und es gibt immer noch einige, die Datensicherungen nicht für sinnvoll erachten. Ich empfehle allen regelmäßige Backups von den wichtigsten Daten zu machen inkl. E-Mails! […]

Hallo,

wie sieht es mit der Aufbewahrungspflicht von E-Mail-Bewerbungsunterlagen aus.
Reicht es hier auch aus, diese auf einem Datenträger oder einer Datenbank abzulegen oder müssen diese auch in ausgedruckter Form archiviert werden?

Vielen Dank für die Hilfe!
Anati Olzinger

Bei mails ist es am besten Sie Auszudrucken und Abzuheften alles anderre ist nicht rechtswirksam

[…] Informationen bietet ein Artikel des Law-Blog. […]

[…] ist der Artikel “Aufbewahrungsfristen für geschäftliche Emails” im Law-Blog – Teil 1 und Teil […]