Pressefreiheit vs. Persönlichkeitsrecht: volle Namensnennung bei Berichten zulässig?

Veröffentlicht am 8. Februar 2007 von Arne Trautmann | Persönlichkeitsrecht | 16 Kommentare

Law-BlogMit der Frage, ob bei einer Berichterstattung im öffentlichen Interesse der volle Name eines Betroffenen genannt werden darf, beschäftigt sich der BGH in seinem Urteil (PDF) vom 21.11.2006, AZ. VI ZR 259/05. Der Inhalt des Urteils ist dabei keineswegs überraschend. Er konkretisiert und bestätigt aber in dankenswerter Weise die zu dieser Frage in der Rechtsprechung immer schon vertretenden Grundsätze. Spannend ist die Angelegenheit vor allen Dingen deswegen, weil es – in der Blogosphäre ist dies bekannt – in letzter Zeit gerade in zu diesem Punkt einige Streitigkeiten und Abmahnungen gegeben hat.

Im konkreten vom Gericht entschiedenen Fall ging es um den Geschäftsführer dreier Kliniken in Brandenburg mit mehr als 900 Angestellten. Nach ganz erheblichen Vorwürfen gegen die Person des Geschäftsführers – es ging um Beleidigungen, massive Bedrohungen, Lügen, Verleumdung und Diffamierungen – wurde er abberufen und beurlaubt. Verständlicherweise zog die Angelegenheit in ganz erheblichem Ausmaß das Interesse der lokalen, aber auch regionalen und überregionalen Presse auf sich. Insbesondere brachte eine Nachrichtenagentur eine Pressemeldung unter voller Nennung des Namens des ehemaligen Geschäftsführers heraus. Das missfiel diesem und er klagte gegen die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Meldung.

Zu unrecht, wie der BGH nun entgegen der Vorinstanz feststellte.

Der Kläger berief sich im vorliegenden Fall auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Ansatzpunkt im Zivilrecht ist § 823 I, II BGB, das Recht selbst ergibt sich aber vor allem Art. 1 I und 2 I GG. Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet auch das Recht, anonym zu bleiben und nicht gleichsam in die „Öffentlichkeit gezerrt zu werden“. Besser bekannt ist dieser Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vielleicht als das „Recht, in Ruhe gelassen zu werden“, wie es sehr bildlich etwa das amerikanische Rechtssystem kennt: „The right to be let alone“.

Natürlich kann dieses Recht nicht unbeschränkt und unbesehen gewährt werden, sonst wäre eine Berichterstattung über die täglichen Vorgänge der Presse praktisch verwehrt. Es muss daher eine Abwägung der einander widerstreitenden Interessen – hier das Persönlichkeitsrechts des Betroffenen und des Berichtserstattungsinteresses der Presse und Allgemeinheit – getroffen werden. Dies ist umso notwendiger, weil der Begriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im § 823 I, II BGB sehr weit ist, unendlich viele Handlungen und Verhaltensweisen in den Bereich dieses Rechts eingreifen. Die Tatsache eines solchen Eingriffs allein impliziert damit noch nicht eine Verletzung des Rechts.

Im vorliegenden Fall stellt der BGH fest, dass es sich bei dem angegriffen Verhaltensweisen um Berichterstattung über die berufliche Tätigkeit des Klägers handelt. Er ist damit in seiner sog. „Sozialsphäre“ betroffen, ganz im Gegensatz zur Privat- oder gar Intimsphäre. Weiter führt das Gericht aus:

Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich aufgrund des Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird

Der erkennende Senat hat für eine Berichterstattung über die berufliche Sphäre des Betroffenen klargestellt, dass der Einzelne sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen muss. Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der Kritik an seinen Leistungen aus. Zu einer solchen Kritik gehört auch die Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein legitimes Interesse daran zu erfahren, um wen es geht und die Presse könnte durch eine anonymisierte Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen.

Nach den weiteren Ausführungen des Gerichts, denen voll inhaltlich zuzustimmen ist, besteht gerade an Wirtschaftsvorgängen und Wirtschaftsführern in herausragender Stellung ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Wer eine solche herausragende Position wie der Kläger innehat, der muss es hinnehmen, dass die Presse über ihn berichtet. Wir hatten das flapsiger formuliert an anderer Stelle bereits einmal zusammengefasst: Wer die Nase aus dem Fenster steckt, der muss auch den Wind vertragen können.


16 Gedanken zu "Pressefreiheit vs. Persönlichkeitsrecht: volle Namensnennung bei Berichten zulässig?"

Da ist ein kleiner Zahlendreher: Ansatzpunkt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht 832 I, II, sondern 823 I, II.
Außerdem, der Kommentar sei mir als Muttersprachler gestattet, lässt sich das „right to be let alone“ nicht mit „Recht, allein gelassen zu werden“ übersetzen. Es muss vielmehr -und dann wird es auch stimmiger!- heißen: das „Recht, in Ruhe gelassen zu werden“.

Ansonsten danke für diesen wie immer sehr interessanten Beitrag!

@Arne (?): Sie lesen genau und haben mit beiden Punkten Recht!

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Wie verhält sich dieses Persönlichkeitsrecht bei Beamten, bzw. bei „Personen des öffentlichen Glaubens“?

Mir ist jetzt persönlich die Relevanz zur Blogosphäre nicht ganz klar. Der eine nennt den anderen beim richtigen Namen. Das Medium ist anders, der richtige Namen lässt sich ziemlich schnell recherchieren.
Ich sehe nicht so ganz die Analogie.

GS

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@Herr Vontobel: Was genau sind denn Personen des öffentlichen Glaubens? Davon abgesehen kommen natürlich Beamte in Ausübung ihres Dienstes ebenso in den Genuss des Persönlichkeitsrechts. Sie sind also davor geschützt, ohne besonderen Anlass „personlisiert“ zu werden. Das gilt aber nicht unbeschränkt, siehe etwa die „Brokdorf-Foto“-Enscheidungen.

@StefanZ: Welche Analogie zur Blogosphäre? Es gibt um Berichte in der „herkömmlichen“ Presse. Alledings gab es in der Blogosphäre in der letzten Zeit einige Abmahnungen auf Basis des allg. Persönlichkeitsrechts. Für solche Fälle sind die Anmerkungen des BGH sicher hilfreich.

Bei einem Arzt, der in der Öffentlichkeit steht, finde ich dieses Urteil auch angemessen. Wie verhält sich die Sache bei Privatleuten, die eigentlich nur um das Wohl der Allgemeinheit besorgt sind? So liegt bei uns in der Gemeinde ein Fall vor, indem 2 Privatpersonen den Bürgermeister kritisieren, eigentlich bloß wissen wollen, wo bestimmt Sanierungsgelder abgeblieben sind. Durch vielleicht unglückliches Formulieren klagte der Bürgermeister, die beiden Psersonen sollten diese Behauptung unterlassen. Nun bekam der BM recht vor Gericht und die beiden Personen wurden beim vollen NAmen in der Tagespresse nun auch diffamiert? Dies ist doch auch rufschädigend, die Kinder dieser Leute werden durch einen „aufgemotzten“ Presseartikel in Mitleidenschaft gezogen. Ich finde das nur unverfroren, wie weit die Lobby der Politiker gehen kann….

ISt das PErsönlichkeits aus 823 I auch betroffen wenn z.B. das Anwesen einer berühmten Person der Zeitgeschichte durch Fotos in einem zeitgeschichtlichen Lexikon veröffentlicht wird?? Acuh wenn diese Fotos sowieso schon durch google earth jedem zugänglich sind??

hallo,

und wie ist das bei Privatpersonen, deren Namen in Sportergebnissen auftauchen?
Wie verhält es sich damit, dass man sich googelt und seinen namen in einer Liste eines Vereines wiederfindet in dem man nicht einmal Mitglied war und die Spielergebnisse über 5 Jahre alt sind?
Ich meine wen interessiert das denn noch? Der einzige „Nutzen“ dieser Veröffentlichung dient doch nur dazu, dass bei dem spezifischen Nachschlagen meines Namens diese Ergebnisse auftauchen…Und ich bin nicht erfreut darüber, da ich als Einzelpersönlichkeit in einem bestimten Berufszweig meinen Eigennamen und meine Persönlichkeit angeben und entsprechend vermarkten muss…und das hat nichts mit dem Sport vor 6 Jahren zu tun….

Danke für eure Antworten 😉

Ich hätte ebenfalls eine Frage: Ich blogge über Social Media (hauptsächlich Facebook) und Sicherheit. Nun kam es vor einem Monat vor, dass ein Mitschüler sich auf Facebook einen (weiblichen) Fake-Account erstellt hat und rund 100 Personen in der Freundesliste hatte.
Mir hatte dieser Mitschüler unter dem gefälschten Account eine Freundschaftsanfrage geschickt, die ich unter der Kategorie Freundesfreunde (mit entsprechend geringen Berechtigungen) angenommen habe.
Mit verschiedenen Tricks versuchte er, mir Informationen zu entlocken — dass meine Aussagen ihm Gegenüber unwahr sind, muss ich glaube ich nicht großartig erwähnen, der Account war relativ einfach als Fake zu identifizieren.
Jetzt zu meinem Problem: Ich möchte darüber bloggen (im Hinblick auf Social Engineering und Betrug), wüsste aber gerne, ob ich den Namen des Mitschülers in diesem Zusammenhang nennen darf (er hatte vor verschiedenen Personen zugegeben, dass er den Account betreibt, dies bestätigte er auch nochmal über den falschen Account)?

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Karl-Heinz Bobring auch mit anonymer E-Mail angegriffen

„Zu einem Zwischenfall kam es, als ein Bannerträger des Aktionsbündnisses die Straße überquerte und auf halbem Weg von einem radikalen Parteigänger angegriffen wurde. Durch einen beherzten Einsatz der Polizei, die mit mehreren Einsatzwagen vor Ort war,…

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