Was ist Gerechtigkeit?
Häppchen & Ausgangslage
Mit penetranter Regelmäßigkeit taucht in Diskussion von, bei, mit und um Juristen die Frage auf, ob man sich eigentlich im täglichen Geschäftsbetrieb nur um Paragrafen und Gesetzeslücken kümmere („Winkeladvokatur“) oder auch das Große und Ganze im Blick behalte: die Gerechtigkeit. Und irgendwie fühlt man sich in solchen Situationen – in denen man übrigens meist ein Käsehäppchen in der einen, ein stilles Mineralwasser in der anderen Hand sowie den Mund halbvoll hat – wie die große Koalition, die auch jeder bedrängt, sie möge nicht immer nur an alltäglichen Kleinigkeiten herumwursteln, sondern sich bitte der systematisch-klaren Linie widmen. Das ist nicht angenehm, zumal man als Anwalt nicht mal eben so die Steuern erhöhen oder ein paar Krankenkassen schließen kann, um darauf folgend ein Bier in der VIP-Lounge eines WM-Stadions zu trinken und den Kaiser zu herzen.
Auf die Frage nach der Gerechtigkeit gibt es viele völlig richtige und dennoch unbefriedigende Antworten. Etwa die, dass man speziell als Anwalt zwar Organ der Rechtspflege sei, damit schon der Gerechtigkeit irgendwie verpflichtet, nebenbei aber auch Interessenvertreter. Und als solcher begeht man, wenn man eben nicht nach dem besten Weg für den Mandanten sucht, einen Parteiverrat und wandert im besten Fall ins Gefängnis. Als Richter wiederum ist man schon recht zufrieden, wenn man zumindest prognostizierbare Entscheidungen produziert, das Recht technisch richtig anwendet und damit Rechtssicherheit und Rechtsfrieden erzeugt. Das ist nämlich schon eine ganze Menge.
Aber das beantwortet die Frage natürlich nur ungenügend.
Ich persönlich ziehe es in solchen Situationen vor, mit der Aufforderung zu antworten, man möge doch bitte – damit ich ausreichend Stellung nehmen kann – erst einmal „Gerechtigkeit“ genau definieren. Meist hat man damit genügend Luft, noch einen leichten Salat vom Buffet zu holen und dann schnell das Thema zu wechseln.
Die Frage steht damit weiter im Raum. Fundierte Antworten sind rar. Wer mal ein Semester Philosophie studiert hat, am richtigen Grundlagenschein im Jurastudium arbeitete oder einfach nur gut googlen kann, der weiß immerhin, dass sich schon Platon an einer Antwort versucht hat und nach vielem Nachdenken zum Schluss kam, man möge doch jeden so behandeln, wie es ihm zustehe. Das ist übrigens nach wie vor die vernünftigste Gerechtigkeitsdefinition.
Aber wirklich nutzen tut sie nichts. Man kann sie einerseits genauso gut falsch besetzen wie jede andere Leerformel – was die Nationalsozialisten ja vorexerziert haben, indem sie „Jedem das Seine“ an das Tor zum KZ Buchenwald schrieben. Man kann sich aber vor allen Dingen darüber streiten, was denn das „Seine“ sein solle. Perelman etwa (Chaim Perelman, „Über die Gerechtigkeit“) führt auf (für die inhaltliche Gerechtigkeit übrigens, nicht die Verhandlungsgerechtigkeit; die Kommentare in den Klammern sind nicht von ihm):
- Jedem das Gleiche (klingt nach Kommunismus)
- Jedem gemäß seinen Verdiensten (was dann wieder irgendjemand bewerten muss)
- Jedem nach seinen Werken (das könnte – wenn man die Werke in Geld ausdrücken kann – neoliberal sein)
- Jedem nach seinen Bedürfnissen (das war ein Slogan, der damals Losung hieß, der SED)
- Jedem gemäß seinem Rang (finsteres Mittelalter)
- Jedem gemäß dem ihm durch das Gesetz zugeteilten (für die Positivisten unter uns. Schließt die Party-Frage aber ziemlich kurz).
Was bringt uns das?
Immerhin hat man so die Diskussion eine Schraube höher gedreht. Herausgearbeitet ist, dass man Vergleichbares gleich behandeln soll – so steht es ja auch im Grundgesetz. Man streitet sich jetzt nur noch darum, was denn bitte „vergleichbar“ heißt. Denn es ist unschwer zu erkennen, dass die Antworten der Liste nicht nur zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, sondern sich teilweise schlicht gegenseitig ausschließen. Man kommt damit nicht umhin, aus diesen Vorgaben auszuwählen, oder jedenfalls einen passenden Mix zu bilden.
Aber wie kann diese Auswahl unter den unterschiedlichen Ansätzen die Gerechtigkeit betreffend geschehen? Offenbar doch nur, indem man auf Werte zurückgreift. Da man aber Gerechtigkeit will und nicht Willkür, müssen das allgemeinverbindlichen Werte sein. Wie kommt man an die? Perelman (aaO.) meint:
Es ist so, dass für jede Gesellschaft und für jeden Geist Handlungen, Handelnde, Glaubenshaltungen und Werte bestehen, welche in einem bestimmten Augenblick rückhaltlos gebilligt und nicht mehr diskutiert werden, die man daher nicht zu rechtfertigen braucht. Diese (…) liefern Präzedenzfälle, Modelle, Überzeugungen und Normen (…).
So etwas konnte man (übrigens in seiner Fassung schon sehr vorsichtig formuliert!) in einer – nach heutigen Maßstäben – uniformen Gesellschaft im Europa Mitte des 20. Jahrhunderts sicher schreiben. Heute könnte man das nicht mehr. Der Ansatz passt schlicht nicht auf eine Gesellschaft mit zunehmend disparaten Strömungen, Subkulturen, Milieus. Es gibt keine gemeinsame Basis. Da ist nichts, das als Grundlage dienen kann. Die Scheidelinie zwischen den unterschiedlichen Werten verläuft dabei näher als wir denken, oder genauer: es gibt sehr viel mehr Scheidelinien, als man gemeinhin zu glauben meint, was dem Erkenntniswert des Begriffs der „Scheidelinie“ übrigens kaum gut tun kann. Wenn dann etwa versucht wird, gemeinsame „westliche“ Werte gegen die gefühlte Bedrohung durch fundamentalistische Glaubenssysteme in Stellung zu bringen, dann stellen wir, wenn wir um uns schauen und meinen, feste Stellungen und klare Fronten zu erblicken, schnell fest, dass die gar nicht da sind. Dass die Amerikaner einen ganz anderen Freiheitsbegriff haben als die Europäer. Und auch „Demokratie“ seinerseits erst einmal der Definition bedürfte. Wobei übrigens auch „Amerikaner“ und „Europäer“ nur aggregierte, unscharfe und nichts sagende Bezeichnungen für wankende und wechselnde Mehrheiten mit bestimmten geographischen Schwerpunkten sind.
Natürlich kann man sich auf den Punkt der „politischen Gerechtigkeit“ zurückziehen. Somit davon ausgehen, dass gerecht ist, was nach legitimer Willensbildung des Volkes eben als gerecht angesehen wird. Aber kann etwas, das heute gerecht ist, denn plötzlich, nach vier Jahren, nach einer neuen Wahl, plötzlich ungerecht sein? Heißt so verstandene Gerechtigkeit nicht, den Begriff seines eigentlichen Sinns zu entleeren?
Wertediskussionen
In der Tat sieht Perelman (aaO.) das Problem. Und so führt er neben der allzu vergänglichen politischen noch die philosophische Gerechtigkeit ein. Dort geht es um universale, allgemein gültige Werte, die für alle – die gesamte Menschheit – verbindlich sind. Wenn man da ist, ist man bei Kant, dem bestirnten Himmel und dem moralischen Sittengesetz. Ersatzweise kann man – je nach Glaubensrichtung – auch die goldene Regel oder die Vorschläge des neuen Testaments einsetzen. Oder einer anderen heiligen Schrift. Oder Heilslehre. Oder Irgendwas.
Werte sind verschieden, relativ.
Das kann man durchaus, wie es der Papst tut, angreifen und verdammen. Die katholische Kirche tut sich da leicht, denn sie zieht ihre schiere Daseinsberechtigung aus der Tatsache, unumstößliche Wahrheiten und damit auch die richtigen – allgemeingültigen und universalen – Werte zu besitzen. Kritischere Geister haben es da schwerer, etwa Engisch („Auf der Suche nach Gerechtigkeit“), wenn er sich zum Werterelativismus bekennt.
Ja und?
Lässt sich bei dieser Ausgangslage der Begriff „Gerechtigkeit“ mehr als nur vage ausfüllen? Ja und nein. Immerhin weiß man auf diese Weise, was Gerechtigkeit bedeuten kann, was man darunter zu verstehen hat im Sinne einer Übereinkunft über die formale Struktur, die Form des Begriffes. Nur weiß man immer noch fast nichts über seinen inneren Gehalt. „Gerechtigkeit“ ist keine Leerformel mehr in dem Sinn, dass man nicht wüsste, worüber man eigentlich redet. Aber sie bleibt relativ. Es stellt sich heraus, dass es nicht „die“ Gerechtigkeit gibt, sondern nur Zustände (oder auch: Verhaltensweisen, Verfahren, Ergebnisse), die man je nach Wertvorstellungen als gerecht empfinden mag oder auch nicht.
Anders gesagt: man kann keine Diskussion dahingehend führen, dass ein bestimmter Vorgang gerecht oder ungerecht sei. Man kann nur sagen, dass man ihn für gerecht oder ungerecht halte.
Was tun?
Man kann mit guten Gründen der Meinung sein, dass das zuwenig ist. Dann gibt es wohl zwei Möglichkeiten.
Entweder man gibt klar zu erkennen, dass man „Gerechtigkeit“ im Sinn der politischen Gerechtigkeit versteht. Also das für gerecht hält, was die (politische) Mehrheit als solches ansieht. Dann aber kann man dem Juristen nicht vorwerfen, dass er sich erst einmal am geschriebenen Gesetz orientiert und damit arbeitet, es als Maßstab seines Handelns nimmt. Denn eben dieses Gesetz hat ja eine (politische) Mehrheit beschlossen. Es „ist“ somit gerecht. Es gibt dann keine Orientierung am „großen Ganzen“, an einer übergesetzlichen Gerechtigkeit.
Oder man muss fair zu sich selbst und den anderen sein und den philosophisch gebrauchten Begriff „Gerechtigkeit“ unterfüttern; klar zu erkennen geben, welche Gerechtigkeit an welchen Maßstäben gemessen man eigentlich meint. Natürlich macht das eine Diskussion sperrig und den Begriff unhandlich, weswegen er insbesondere bei 20 Sekunden Politiker-Statements vermieden werden sollte.
Trifft man also auf jemanden, der den Begriff ohne eine solche Eingrenzung benutzt, dann diskutiert man alternativ oder kumulativ
- mit jemandem, der es schlicht nicht besser weiß, keine Gedanken an den Begriff verwendet,
- mit jemandem, der davon ausgeht oder jedenfalls hofft, dass sich die Art von Gerechtigkeit, die gemeint ist, aus dem Kontext ergibt oder und am schlimmsten,
- mit einem Demagogen.
Weiterlesen
Larenz, „Methodenlehre der Rechtswissenschaft“
Zippelius, „Rechtsphilosophie“
17 Gedanken zu "Was ist Gerechtigkeit?"
Ich kann dazu nur das kleine Reclam-Büchlein von Hans Kelsen empfehlen: „Was ist Gerechtigkeit?“
ich hatte das an anderer Stelle mal so zusammengefasst:
„Zurückblickend muss man feststellen, dass die Versuche, eine absolut gültige Norm für gerechtes Verhalten auf rationalem Wege zu finden, vergeblich waren. Die menschliche Vernunft kann keine absolut gerechten Normen begreifen.
Absolute Gerechtigkeit bleibt für Kelsen ein irrationales Ideal. Für die menschliche Vernunft sind nur relative Werte erfassbar,
ein Urteil, mit dem jemand etwas für richtig oder falsch erklärt, kann niemals ausschließen, dass das Gegenteil auch zutreffen kann.
Mit dieser Feststellung kehrt Kelsen wieder an den Anfang seines Werkes zurück, wo er Werte und Wertkonflikte behandelt. Die Frage nach Gerechtigkeit bleibt demnach zunächst eine Frage nach Interessen und Interessenkonflikten.
Für die Lösung eines solchen Konfliktes verbleiben nur zwei Möglichkeiten: Die
Befriedigung des einen auf Kosten des anderen oder der Weg des Kompromisses. Letzteren geht Kelsen. Er plädiert für eine relativistische Gerechtigkeitsphilosophie. Dem Vorwurf, eine relativistische Wertlehre negiere jegliche Werte, verneine Gerechtigkeit, tritt Kelsen
entschieden entgegen. Eine relative Wertelehre bedeutet nur, „dass es keine absoluten, dass es nur relative Werte, keine absolute, sondern nur eine relative Gerechtigkeit gibt, dass die Werte, die wir unseren normsetzenden Akten zugrundelegen, nicht mit dem Anspruch
auftreten können, die Möglichkeit entgegengesetzter Werte auszuschließen“.
An anderer Stelle führt er dazu aus: „Eine positivistische und das heißt realistische Rechtslehre behauptet nicht (…), dass es keine Gerechtigkeit gebe, sondern dass tatsächlich sehr viele, voneinander verschiedene und einander möglicherweise widersprechende
Gerechtigkeitsnormen vorausgesetzt werden“. Aus einer relativen Wertlehre lässt sich, so Kelsen, das Prinzip der Toleranz ableiten, „die Forderung, die religiöse oder politische Anschauung anderer wohlwollend zu verstehen“ und ihre Äußerung nicht zu verhindern. „Toleranz bedeutet Gedankenfreiheit“ und das ist zugleich die „Seele der Wissenschaft“. Kelsen gesteht seinem Leser, dass er die Frage, was ist Gerechtigkeit nicht beantwortet hat und sie auch nicht beantworten kann. Er und seine Leser müssen sich mit einer relativen Gerechtigkeit begnügen.“
Um nicht zu einseitig auf Kelsens relativ destruktive Sicht fixiert zu sein, sollten Sie jedoch zB unbedingt diese sehr sachliche und konstruktive Kritik an Kelsen auf Amazon lesen. Viel Spass.
Der Link:
http://www.amazon.de/gp/product/3150180767/302-2693159-8722462?v=glance&n=299956
Abschnitt „Ja und“: „…Ausgangslage als der Begriff…“ – da ist das „als“ überflüssig, oder?
Letzter Abschnitt: „Tritt man also auf jemanden…“ – nur gut, daß hier nicht die Gerechtigkeit (mit Füßen) getreten wird 🙂
@Rötkäppchen und Leser: Ich muss gestehen, dass dieser Aufsatz bisher an mir vorbeigegangen ist. Für den nächsten Urlaub nehme ich mir das mal vor…
@Sören: aber treten passt auch gut 😉 Ich hab’s trotzdem mal lieber korrigiert…
Das einzig wahre Gerechte kann nur eine Anarchie sein. Gesetze sind nur aufgeschriebene Buchstaben, genauso wie die Bibel, was macht sie so vollkommen, dass wir sie über Menschen stellen? Das wir Schicksale an ihnen zu Grunde gehen lassen?
[url=http://www.zooperstar.com/photo-134891.html]Hier gibts 2 Anarchie zum Preis von einer![/url]
Einmal mehr ein schöner Text. Die von Ihnen geschilderte Situation (im Rahmen von Empfängen oder auf einer Party) kommt mir sehr bekannt vor… Besonders gefällt mir die Passage mit der Gegenfrage, die es einem erlaubt, sich noch in aller Ruhe einen Salat vom Buffet zu holen (ganz schön gemein…;)).
Spaß beiseite: Mit der Frage „Was ist Gerechtigkeit“ konfrontiere ich regelmäßig meine Hörer gleich in der ersten Stunde – allein aus Selbstschutz, damit sie nicht mich irgendwann im falschen Moment damit konfrontieren. Jedenfalls sollten sich m. E. auch Studentinnen und Studenten, die „Recht“ nur als Nebenfach belegen müssen, einmal mit der Frage auseinandergesetzt haben.
Als kleiner Nebeneffekt können sie dann ja vielleicht auf der nächsten Party ein wenig damit Eindruck schinden – womit sich der Kreis schließt.
Noch kurz zur Literatur: Mir gefällt das bei Baumann zu Lesende auch recht gut (s.
Baumann, Jürgen: Einführung in die Rechtswissenschaft : Rechtssystem und Rechtstechnik, 8., überarb. Aufl., München 1989).
Hallo Herr Behrens,
Sie sind ja selbst gemein ;-), haben aber recht, wie ich finde. Vielleicht kann man das sogar noch erweitern: nicht nur Studenten, sondern eigentlich jeder sollte jedenfalls einmal kurz drüber nachdenken. Insbesondere, bevor man die eine oder andere politische Entscheidung als „ungerecht“ verteufelt. Irgendwie mutiert der Begriff mir nämlich zu sehr in Richtung Totschlagargument…
Über den Baumann bin ich noch gar nicht gestolpert, will das aber gern nachholen!
[…] Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist die andere sowieso die interessantere Art der Küchenphilosophie. Sie wird zum Beispiel von Arne Trautmann vom law-blog mit Bindestrich betrieben. Anwälte genießen in Bloggerkreisen zwar nicht unbedingt den besten Ruf, aber was RA Trautmann über Gerechtigkeit schreibt, ist durchaus lesenswert und für die Küche schon fast wieder eine Liga zu hoch. […]
hallo ich hätte gerne eine frage und zwar kann umverteilung gerechtigkeit schaffen?wie?wozu?warum?für wem?es wäre sehr nett wenn sie mir die antwort per e-mail schicken würden…!danke schön.
Gerechtigkeit, wenn man dies hört sollte man als Jurist meines Erachtens nach gelassen bleiben und sich nicht in die Pflicht nehmen lassen für etwas, was einem gar nicht obliegt. Gerechtigkeit hat wohl nur in den Wurzeln etwas mit „dem Recht“ zu tun. Gerechtigkeit ist ein rein philosophischer Wert, wohingegen das Recht eine Betriebsanleitung für die möglichst reibungs-, und leidenschaftslose Abwicklung von Vorgängen darstellt.
Bediene ich meine Waschmaschine gemäß der mir vorliegenden Bedienungsanlteitung und gibt’s dennoch nen Wasserauslauf, schreie ich dann nach Gerechtigkeit ?
Was rechtens ist, muss deswegen noch lange nicht gerecht sein. Wir setzen um, was die Bedienungsanleitung des Lebens in bestimmten Situationen als richtig/rechtens erachtet und uns somit vorschreibt. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass andere sich nicht durch Überblättern oder Nichtbeachtung der Bedienungsanleitung dem entziehen, was dort festgelegt wurde.
Gerechtigkeit……..wenn ich das schon höre. Wer ist denn gerecht ? Der einzelne Mensch ? Kapitalmarktorientierte Unternehmen ? Die Kirche ?
Von den Juristen wird immer erwartet, für die Gerechtigkeit einzutreten. Ja für welche denn ? Wenn wir (bzw. das Gesetz) sagen, dass ein Mann, der 9 Monate vor der Geburt eines Kindes als desse Vater gilt, schreit man uns entgegen, wie wir es nur wagen können, so ungerecht zu sein und eine biologische Tatsache zu kreieren, wo ggf. gar keine ist. Die Tatsache, dass wir das gar nicht tun, sondern mit solchen Festlegungen („gilt als Vater“) nur klarstellen, dass bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts die gesetzlichen (!) Folgen einer Vaterschaft eintreten, ist dem Laien nur schwer vermittelbar. Wer will uns da unterstellen, dass wir hier eine biologische Wahrheit erschaffen ?
Dies interessiert die Menschen aber überhaupt nicht. Juristen sind Wundermittel gegen alles, sogar gegen DIE Ungerechtigkeit als solche. Man haben wir es gut 🙂
Nun, ich denke Gerechtigkeit ist zuallererst ein Gefühl. Und wie bei allen Gefühlen wird der Versuch, dieses Gefühl rational zu beschreiben, scheitern müssen.
Daher will ich zuerst ein „Ungerechtigkeits“-Beispiel anführen:
Als ich im 3. Semster Jura wahr, haben wir Studenten pflichtgemäß an einigen Verhandlungen als Zuörer teilgenommen.
In einer gelang es einem Handwerker nicht, zu beweisen, dass seine Gewerke nicht den beschriebenen Mangel aufwiesen. Die Situation war sehr eindeutig: Der Rechtsanwalt hatte geschlampt, keine Fotos, nichts. Nur der vollkommen naive Handwerker, der sich seiner Sache so sicher war.
An diesem Tag ging er bankrott. Der Richter erklärte uns achselzuckend: Was sollte er tun? Für ihn war es so klar wie für uns, dass die erhobenen Mängel deutlich übertrieben waren, es war einfach klar, auf eine nicht bewiesene Art und Weise, und doch klar. Mehr eine Art der Klarheit im Gefühl als im Verstand.
Ist es also gerecht, Dummheit zu bestrafen? Darf ein Richter einer Partei helfen, z. B. Vertagung, damit dieses nun doch noch die Beweise beizubringt?
Oder muss er im Vertrauen auf die innewohnende Gerechtigkeit des Systems einfach dem System folgen?
Grundsätzlich glaube ich, das jedwedes Regelwerk, wenn es die Ausnahme nicht von vorneherein zulässt, Willkür erzeugt. Willkür ist übrigens ein möglicher Gegenpol zu Gerechtigkeit, der diese klarer erkennbar macht.
Ich denke an absurde Beweisemittel-Verfahren, in denen auf Grund nicht zugelassener Beweise Freispüche wegen Mangel an Beweisen herauskommen.
Solche Ergeignisse rufen ein starkes „Ungerechtigkeitsgefühl“ hervor. Dieses wird dann durch Rationalisierungen, das System ist gerecht, auch wenn es in Einzelfällen, ungerechtes produziert, nach und nach gedämpft, bis man gelernt auf solche Situationen nicht mehr emotional zu reagieren.
Ungerechtkeit ist schlimm, aber nicht vermeidbar, schlimmer aber ist es, wenn auch das Bemühen um Gerechtigkeit, was nichts anderes bedeuten würde als einem Gefühl genügend Raum zu lassen, erlahmt.
Jedes Volk (ich hoffe dieser Begriff ist hier zulässig, den Volk sind die Bewohner des Landes, einschließlich der Zugereisten) kann eine mehr oder weniger große Menge Ungerechtigkeit vertragen. Ist unterschiedlich. Wird die Belastunsgrenze jedoch dauerhaft überschritten, so breitet sich Willkür aus.
[…] in die Bücher oder Ordner auch auf Sonnenuntergänge über dem Silsersee. Danke, Tankstelle Engadin!Von Sarah in Prüfungen & Papers : 11. Januar2008 […]
Ich finde den Eingangstitel sehr interessant und er setzt sich sehr gut mit dem Thema Gerechtigkeit auseinander. So kann ich denn Begriff Gerechtigkeit besser greifen, da es zu allerletzt auch Klausurthema sein wird.
Auch die Kommentare mit dem verschiedenen Buchtipps sind sehr hilfreich.
Nach dem Gelesenen habe ich festgestellt, dass Gerechtigkeit einen großen Konfliktpunkt darstellt und das manch einer von sich ausgeht und dabei diejenigen vergisst die wirklich unter Willkür leiden. Man sollte nicht nur verlangen selbst verstanden zu werden, sondern vorallem selbst verstehen zu lernen.
Danke für die Hilfe!
[…] dort, wo es nicht ausreicht, verschärft werden. Nüchternheit Diskussion Werte/ Gerechtigkeit:Law-Blog » Was ist Gerechtigkeit? __________________ Der Sinn von Erziehung besteht in der Entwicklung und Förderung des […]
Teilweise schöne Kommentare zu einem tollen Artikel.
Was fällt Euch zu der Frage: „Wie kann gerechtes Verhalten zum Selbstschutz beitragen?“ ein?
GERECHTIGKEIT IST DER ZUFRIEDENSTELLENDE AUSGLEICH PARTIZIPIERENDER INTERESSEN. Es geht nämlich nur um Zufriedenheit, um positive Wahrnehmung im weitesten Sinne.
In aller Bescheidenheit: Hinter diesen 7 Worten steckt die tiefschürfendste Arbeit im machtvollsten Wissenskomplex aller Zeiten, „Kommunikation und Recht“ – wer kennt den schon?
Absolute Gerechtigkeit wäre das Ende von allem. Recht braucht Unrecht, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Ohne Machtunterschiede hätte sich nichts entwickelt. Es geht ausschließlich um das faire Managen von Energie. Unsere kleinsten Bestandteile beherrschen das nahezu perfekt. Komplexe, träge Systeme wie Vernunftwesen tun sich mitunter sehr schwer.
Auch der Instinktersatz Recht muß sich dem allem übergeordneten Erfolgsprinzip Gerechtigkeit der Evolution mit dem genial einfachen Programm LEBEN UND LEBEN LASSEN beugen. Meist reicht ein Knicks.
Na? Von den Socken …?
Mit gründlichen Füßen!