Blogs, Meinungsfreiheit, Presserecht

Übergreifendes | 21. Dezember 2004
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Blogs und Blog­ger wer­den mehr und mehr zu ein­er art von Medi­en­macht. Manche Blog­ger haben einiges an Reich­weite, sind in der Blo­gosphäre und darüber hin­aus etabliert, wer­den gehört. Blogs kön­nen, wenn ihre The­men von etablierten Medi­en aufge­grif­f­en wer­den, Men­schen und Kar­ri­eren zer­stören, über einen Fall in den USA berichtet Blogs. Mei­n­ungs­macht hat aber vor allem die Masse der Blogs, die sich gegen­seit­ig ver­linken und so als Ver­stärk­er von The­men und Trends agieren. Es stellt sich daher die Frage, was Blogs eigentlich sagen und meinen dür­fen und welchen Regeln sie unter­liegen.

Anhand eines konkreten (und m.E. für den Blog­ger klar unprob­lema­tis­chen!) Falls, näm­lich des Jam­ba-Artikels des Spree­blick-Blogs, dürfte das The­ma erst­mals ein­er bre­it­eren deutschen Öffentlichkeit bewusst gewor­den sein. Das PR-Blog in Gestalt von Klaus Eck hat den Anlass genutzt und uns zu diesem The­ma inter­viewt.

Klaus Eck: Kön­nen Blog­ger ein­fach gefahr­los jedes Unternehmen kri­tisieren?

Arne Traut­mann: Zunächst ist hier zu unter­schei­den, wie diese Kri­tik aussieht. Sind es Wer­turteile („gefällt mir nicht“) oder Tat­sachen­be­haup­tun­gen („die betrü­gen Kün­den“). Bei Wer­turteilen gibt es ja kein „richtig“ oder „falsch“, son­dern nur ein „sehe ich auch so“ oder eben nicht. Wer­turteile dür­fen daher – auch scharf for­muliert – abgegeben wer­den, solange die Gren­ze zur Belei­di­gung nicht über­schrit­ten wird. Sinn des Wer­turteils muss aber die Auseinan­der­set­zung in der Sache bleiben, es darf nicht in ein plat­te Her­ab­set­zung und Dif­famierung abgleit­en.

Anders bei Tat­sachen­be­haup­tun­gen. Hier stellt sich als erstes die Frage, ob die Aus­sage als solch­es wahr oder falsch ist. Über wahre Tat­sachen dür­fen Blog­ger eigentlich immer Behaup­tun­gen auf­stellen. Hier kann den Blog­gern kaum etwas passieren, voraus­ge­set­zt sie schreiben über Per­so­n­en aus Poli­tik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Klaus Eck: Wie ver­hält es sich mit der Kri­tik gegenüber anderen Blog­gern?

Arne Traut­mann: Dur­chaus anders sieht es aus, wenn ein Blog­ger etwas über Pri­vat­per­so­n­en schreibt. Auch hier darf grund­sät­zlich die Wahrheit gesagt wer­den. Es beste­ht aber schnell die Gefahr, dass die Wahrheit instru­men­tal­isiert wird, um jeman­den bewusst zu schaden. Das müssen sich Pri­vat­per­so­n­en, bei denen Details ihres Pri­vatlebens eben keinen „Nachricht­en­wert“ haben, nicht unbe­d­ingt gefall­en lassen. Auch eine wahre Behaup­tung kann daher – ger­ade wenn sie pri­vate Angele­gen­heit­en bet­rifft – unzuläs­sig in das Per­sön­lichkeit­srecht des Einzel­nen ein­greifen.

Klaus Eck: Wie ste­ht es nun bei unwahren Tat­sachen­be­haup­tun­gen?

Ist eine Tat­sachenaus­sage zu Per­so­n­en oder Unternehmen unwahr, sieht die Sach­lage völ­lig anders aus. Dann greifen ver­schiedene zivil­rechtliche und strafrechtliche Bes­tim­mungen: Dazu zählen im Strafrecht üble Nachrede und Ver­leum­dung oder im Zivil­recht der Tatbe­stand der Kred­it­ge­fährdung und die Ver­let­zung der all­ge­meinen Per­sön­lichkeit­srechte und andere Vorschriften.

Klaus Eck: Es gibt immer wieder die Diskus­sion in der Blo­gos­phere, ob Blog­ger wie Jour­nal­is­ten behan­delt wer­den kön­nen. Wie wirkt sich das auf ihre Rechte beim Bloggen aus?

Arne Traut­mann: Erhe­blich. Die Presse­frei­heit ist schließlich ein im Grundge­setz ver­ankert­er „Jok­er“, der die Ausle­gung des ein­fachen Rechts bee­in­flusst und bei Abwä­gun­gen, die viele geset­zlichen Vorschriften vornehmen, eine Rolle spielt. Es gibt daher spezielle Spiel­regeln für die Presse, die als vierte Macht im Staat nicht gefährdet wer­den soll. Im Grunde darf man bei der Presse – und all­ge­mein bei der Mei­n­ungsäußerung und ‑bil­dung – grund­sät­zlich keine objek­tive Wahrheit erwarten. Ihrer Funk­tion zu bericht­en, zu informieren und Missstände aufzudeck­en, kön­nte die Presse nicht nachkom­men, wenn ständig ein juris­tis­ches Damok­less­chw­ert über ihr schweben würde. Gefordert von der Presse wird daher nur, dass sie ihrer presseüblichen Sorgfalt­spflicht bei der Recherche nachkommt. Ist das de Fall, ist es uner­he­blich, ob sich im Nach­hinein eine Nachricht als „objek­tiv“ falsch her­ausstellt.

Bei rein pri­vat­en Home­pages und Blogs wird zwar mit guten Grün­den darüber disku­tiert, ob diese dem Press­recht unter­fall­en oder eher Indi­vid­u­alkom­mu­ni­ak­tion darstellen. Sicher­lich aber erfüllen eine ganze Rei­he der deutschen Weblogs dem Presse­be­griff und damit den Medi­en­di­en­stes­taatsver­trag. Es gibt dazu noch wenig Entschei­dun­gen, dürfte aber immer dann der Fall sein, wenn die Blog­ger Nachricht­en auf­greifen, ver­bre­it­en und kom­men­tieren, die von öffentlich­er Rel­e­vanz sind. Im Jam­ba-Artikel des Spree­blicks gilt das sicher­lich auch. Somit gel­ten im Fall solch­er Blogs die presserechtlichen Bes­tim­mungen: etwa eine Impres­sum­spflicht und ggf. eine Gegen­darstel­lungspflicht sowie eine Tren­nung von Redak­tions- und Anzeigen­teil.

Klaus Eck: Welche Vorteile hat der Pres­se­ta­tus für Blog­ger?

Arne Traut­mann: Sie kön­nen sich auf presserechtliche Priv­i­legien berufen, die etwa darin beste­hen, dass sie keine objek­tiv­en Wahrheit­en ver­bre­it­en müssen. Die oben skizzierte Wahrung der presseüblichen Sorgfalt reicht aus. Die ist häu­fig schon dann gewahrt, wenn sich der Blog­ger auf eine unwider­sproch­ene Pressemel­dung ein­er anerkan­nten Quelle berufen kann – solche Quellen sind freilich die meis­ten Blogs nicht. Ins­ge­samt ermöglicht das den Blog­gern größere Freiräume bei der Berichter­stat­tung.

Klaus Eck: Über welche juris­tis­chen Möglichkeit­en ver­fü­gen Unternehmen, die von Blog­gern ange­grif­f­en wer­den?

Arne Traut­mann: Für den Spree­blick-Fall bedeutet der presserechtliche Sta­tus, dass Jam­ba eine Gegen­darstel­lung durch­set­zen kön­nte. Dabei ist es völ­lig unwichtig, ob die Behaup­tung wahr oder unwahr ist. Es ist let­ztlich nur ein Anhörungsanspruch, der jedem zuste­ht, damit bei­de Parteien zu Gehör kom­men. Wenn die Behaup­tung jedoch unwahr ist, hätte Jam­ba sog­ar die Möglichkeit, die kom­plette Löschung der entsprechen­den Artikel zu ver­lan­gen. Für die Zukun­ft dürfte der Blog­ger seine Behaup­tun­gen nicht wieder­holen.

Außer­dem wäre es im Fall der Unwahrheit auch denkbar, dass Jam­ba eine Schaden­er­satz­forderung stellt.

Eine Abmah­nung mit der Auf­forderung zur Besei­t­i­gung der Texte und ein­er kün­fti­gen Unter­las­sung kann ein Unternehmen jed­erzeit stellen. Ob sie sich juris­tisch durch­set­zen lässt, hängt davon ab, wie sorgfältig ein Blog­ger zuvor recher­chiert hat, siehe oben.

Klaus Eck: Wie kön­nen Blog­ger darauf reagieren?

Arne Traut­mann: Auf eine unberechtigte Abmah­nung müssen Blog­ger eigentlich über­haupt nicht reagieren. Sin­nvoll ist es jedoch, zumin­d­est in einem Antwortschreiben darauf einzuge­hen, warum die Abmah­nung unberechtigt ist.

Klaus Eck: Welche Kon­se­quen­zen kön­nte das schlimm­sten­falls haben?

Arne Traut­mann: Wenn man die Erk­lärung nicht abgibt, kann das Unternehmen eine einst­weilige Ver­fü­gung erwirken. Sobald eine Ver­fü­gung vor­liegt, ist es egal, ob die Behaup­tun­gen zu Recht oder zu Unrecht aufgestellt wur­den. Wer dage­gen ver­stößt, riskiert ein Ord­nungs­geld bis zu 250.000 Euro oder sog­ar eine Ord­nung­shaft bis zu sechs Monat­en.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)